Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe - Verantwortung, Ermittlung & Beurteilung

Wir zeigen Ihnen, was Sie beachten müssen, wenn Sie eine Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe erstellen möchten. Die Gefährdungsbeurteilung bei möglichen Expositionen (Einwirkungen) von Gefahrstoffen auf Beschäftigte unterscheidet sich vom üblichen Vorgehen bei anderen Gefährdungen, da zum einen in §6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Vorgaben für die Gefährdungsbeurteilung enthalten sind (etwa die unabhängige Beurteilung von inhalativen, dermalen und physikalisch-chemischen Gefährdungen, die in der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen sind), zum anderen eine Reihe von Technischen Regeln für diese Gefährdungsbeurteilung existieren. Diese sind zwar nicht verbindlich, zeigen aber, welcher Detailierungsgrad seitens des Gesetzgebers erwartet wird.

Grundsätze und Verantwortung

§6 GefStoffV schreibt vor, dass bei der Gefährdungsbeurteilung immer auch geprüft werden muss, ob Beschäftigte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei ihren Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, ist die Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter (unter Berücksichtigung der Wirksamkeit bestehender betrieblicher Schutzmaßnahmen) zu beurteilen. Wird dabei Handlungsbedarf festgestellt, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen und ein Verfahren zur Überprüfung ihrer Wirksamkeit festzulegen.

Hingewiesen wird auch auf die ja grundsätzlich bei der Gefährdungsbeurteilung erforderliche Fachkunde bei der Durchführung, die ggf. eine Beratung insb. durch Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt/-ärztin erfordern kann. Die zentrale Technische Regel zur Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ist die TRGS 400.


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Wie organisieren Sie die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe?

Auch bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen gilt, dass bei gleichartigen Arbeitsbedingungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen und (hinsichtlich Arbeitsabläufen, Verfahren, Umgebungs- und Expositionsbedingungen) vergleichbaren Tätigkeiten die Beurteilung eines Arbeitsplatzes ausreicht. TRGS 400 erläutert dazu, dass gleichartige Arbeitsbedingungen auch bei räumlich getrennten Tätigkeiten vorliegen und mehrere Gefahrstoffe abdecken können (z.B. Probenahme). Tätigkeiten mit besonders gefährlichen Gefahrstoffen oder hoher Exposition sollten jedoch immer im Einzelfall beurteilt werden; ebenso nicht regelmäßig durchgeführte Tätigkeiten (z.B. bei Wartung und Instandhaltung).

Wie erfolgt die Ermittlung potenzieller Gefahren bei den Beschäftigten - Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe?

Erster Schritt der Gefährdungsbeurteilung ist die Prüfung der Frage, ob Beschäftigte mit Gefahrstoffen arbeiten oder ob bei ihren Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen und/oder freigesetzt werden können. Gefahrstoffe sind nach §2(1) GefStoffV nicht nur in Gefahrenklassen eingestufte Stoffe und Gemische, sondern generell alle Stoffe, die aufgrund ihrer chemischen, toxischen oder physikalisch-chemischen Eigenschaften Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten am Arbeitsplatz gefährden können. Am einfachsten zu erkennen sind die in Gefahrenklassen eingestuften Gefahrstoffe, die eingekauft werden. Für diese gibt es Kennzeichnungs- und Informationspflichten seitens des Herstellers (bzw. Importeurs oder Lieferanten), die für den Verwender und seine Gefährdungsbeurteilung eine wichtige Informationsquelle sind.

Da ist zum einen die Pflicht zur Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen/Gemische (§4 GefStoffV, der auf die VO (EG) 1272/2008 [CLP- oder GHS-VO] verweist) mit Piktogrammen und anderen Informationen, sowie zur Erstellung eines Sicherheitsdatenblatts, das der Lieferant nach Art. 31 VO (EG) 1907/2006 dem Abnehmer für alle gefährlichen Stoffe und Zubereitungen/Gemische zur Verfügung zu stellen hat. Schwieriger zu erkennen sind die nicht von einem Hersteller gelieferten Gefahrstoffe, die zum Beispiel bei Tätigkeiten entstehen oder freigesetzt werden. Typische Beispiele hierfür sind:

  • mineralischer Staub aufgrund von Bohr-, Stemm-, Fräsarbeiten etc.,
  • aus Schweißelektroden entstehende Schweißrauche,
  • beim Sägen freigesetzter Holzstaub (Stäube von Buchen- oder Eichenholz sind krebserregend),
  • bei Schneidbrennarbeiten entstehende Pyrolyseprodukte.

Ebenso nicht an ihrer Kennzeichnung zu erkennen sind die Stoffe, die keiner Gefahrenklasse angehören, aber als „andere Stoffe, …, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können“ berücksichtigt werden müssen. Dies können z.B. sein:

  • tiefkalte oder heiße Flüssigkeiten,
  • erstickende oder narkotisierende Gase oder
  • brennbare Stäube, die bei Aufwirbelung eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden können.

Arbeitsplatzgrenzwert

Alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen wurde, sind ebenfalls – unabhängig von einer Kennzeichnung – Gefahrstoffe und daher bei der Gefährdungsbeurteilung zu beachten. Arbeitsplatzgrenzwerte werden vom „Ausschuss für Gefahrstoffe“ (AGS) beim Bundesarbeitsministerium festgelegt, bei ihrer Einhaltung sind weder chronische noch akute Gesundheitsschäden zu erwarten. Sie sind in der TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“ veröffentlicht. Bei der Ermittlung nicht gekaufter oder kennzeichnungspflichtiger Gefahrstoffe können insbesondere Gebrauchsanweisungen und Hinweise des Herstellers, relevante Regeln und Informationen der Unfallversicherung (DGUV-R und DGUV-I), Technische Regeln, Leitfäden von Behörden und anderen sowie Gefahrstoffinformationen von der Unfallversicherung oder der Länder im Internet (GDL, GESTIS, Gis¬Chem etc.) helfen. Holzstaub ist z.B. in der TRGS 553 „Holzstaub“ beschrieben. Können Sie für freigesetzte Stäube, Gase, Dämpfe oder Nebel keine ausreichenden Informationen zu ihrer Bewertung ermitteln, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese giftig, reizend, erbgutverändernd und hautsensibilisierend sind (vgl. 4.2 (13) TRGS 400).

Bei der Ermittlung sollte zugleich festgehalten werden, bei welchen Tätigkeiten und in welchen Mengen die Gefahrstoffe verwendet bzw. entstehen oder freigesetzt werden können und welcher Art und Dauer die (mögliche) Exposition der Beschäftigten ist. Bei den Tätigkeiten sind insbesondere auch An- und Abfahrvorgänge, Lagerung, innerbetrieblicher Transport, Reinigungs-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten, die Beseitigung vorhersehbarer Betriebsstörungen, Aufräum- und Abbrucharbeiten etc. zu beachten.

Ablauf der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe

Welche Gefahrstoffe werden im Betrieb verwendet?

In §6 (12) GefStoffV ist festgelegt, dass ein Verzeichnis der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe geführt werden muss, das Bestandteil der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sein kann. Es muss enthalten:

  • Bezeichnung des Gefahrstoffs,
  • Einstufung des Gefahrstoffs oder Angaben zu gefährlichen Eigenschaften (hierzu können Sie die H-Sätze und Gefahrenpiktogramme verwenden),
  • im Betrieb verwendete Mengen,
  • Bezeichnung der Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte dem Gefahrstoff ausgesetzt sein können,
  • Verweis auf das Sicherheitsdatenblatt.

Sie können das Verzeichnis mit den bereits vorhandenen Informationen erstellen (bzw. überprüfen). Es empfiehlt sich, zusätzlich zu den verpflichtenden Informationen weitere Informationen insb. zum Freisetzungsverhalten und bei physikalisch-chemischen Gefährdungen sicherheitstechnische Kenngrößen in das Verzeichnis aufzunehmen. Diese werden ohnehin für die Gefährdungsbeurteilung benötigt:

  • bei Feststoffen: Staubigkeit
    - niedrig (z.B. Pellets, Granulat, …),
    - mittel (Staub setzt sich nach kurzer Zeit, z.B. Zucker, …),
    - hoch (Staubwolken bleiben einige Minuten in der Luft, z.B. Toner, Zement, …)
  • bei Flüssigkeiten: Siedepunkt in °C und Dampfdruck (kPa bei Anwendungstemperatur).
  • Sicherheitstechnische Kenngrößen:
    - Flammpunkt,
    - Zündtemperatur/Selbstentzündungstemperatur,
    - Zersetzungstemperatur.

Wichtig: Im Rahmen der Gefahrstoffverordnung geht es immer um Gefahrstoffe, die bei Tätigkeiten verwendet oder entstehen/freigesetzt werden können. Wenn Belastungen mit gefährlichen Stoffen aus anderen Quellen als Tätigkeiten stammen, ist die GefStoffV nicht maßgeblich. (Beispiel: Die Belastung von Mitarbeitern durch Tabakrauch. Tabakrauch enthält krebserzeugende Stoffe, die Belastung entsteht in der Regel aber nicht durch Tätigkeiten. Die Gefährdung durch Tabakrauch ist aufgrund der Arbeitsstättenverordnung zu betrachten, das hier beschriebene Vorgehen dafür nicht verbindlich.)

Wie erfolgt die Beurteilung der Gefährdung - Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe?

Für alle verwendeten oder entstehenden/freigesetzten gefährlichen Arbeitsstoffe ist die Gefährdung unter Berücksichtigung der vorhandenen Schutzmaßnahmen zu beurteilen.

Geringe Gefährdung? Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob nur eine „geringe Gefährdung“ vorliegt. Das kann dann der Fall sein, wenn nur eine geringe („haushaltsübliche“) Menge von Gefahrstoffen verwendet oder freigesetzt wird, die Exposition kurz und niedrig ist und die in §8 GefStoffV aufgeführten allgemeinen Schutzmaßnahmen ausreichend sind (siehe §6 (13) GefStoffV). Ein Beispiel wäre die Aufbewahrung und Verwendung haushaltsüblicher Mengen von Klebstoffen etwa im Büro oder Tätigkeiten mit ätzenden Gefahrstoffen, bei denen ein Hautkontakt ausgeschlossen werden kann. (Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in engen Räumen und Behältern kann nach TRGS 400 nie eine geringe Gefährdung vorliegen, ebenso wenig z.B. bei Tätigkeiten mit giftigen, krebserregenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Gefahrstoffen.) Bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung besteht zum Beispiel keine Pflicht zur Erstellung einer Betriebsanweisung und Unterweisung nach §14 GefStoffV.

Vorliegen standardisierter Arbeitsverfahren

Liegen für eine Tätigkeit aktuelle „standardisierte Arbeitsverfahren“ vor, die auf die Tätigkeiten übertragen werden können (es also keine Abweichungen durch besondere Betriebszustände etc. gibt), können die dort beschriebenen Maßnahmen ohne weitere Prüfung angewendet werden. „Standardisierte Arbeitsverfahren“ sind z.B.:

  • Verfahrens- und stoffspezifische Kriterien nach TRGS 420,
  • stoff- oder tätigkeitsbezogene TRGS,
  • branchen- oder tätigkeitsbezogene Hilfestellung (etwa der DGUV),
  • Expositionsszenarien in erweiterten Sicherheitsdatenblättern,
  • (durch Hersteller oder Inverkehrbringer) mitgelieferte Gefährdungsbeurteilungen.

In diesem Fall ist das angewandte „standardisierte Arbeitsverfahren“ in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung anzugeben. Zu prüfen ist, ob die Maßnahmen aus dem „standardisierten Arbeitsverfahren“ umgesetzt sind. Ist dies nicht der Fall, müssen diese selbstverständlich eingeführt werden. Abweichungen von einer stoff- oder tätigkeitsbezogenen TRGS sind zu begründen und müssen das gleiche Sicherheitsniveau gewährleisten. Kann man nicht auf solche festgelegten Maßnahmen zurückgreifen, muss man die notwendigen Maßnahmen in der Gefährdungsbeurteilung ermitteln.

Die vom Ausschuss für Gefahrstoffe anerkannten standardisierten Arbeitsverfahren sind in einer Anlage zur TRGS 420 aufgeführt. Ein Beispiel ist die „Handlungsanleitung zur guten Arbeitspraxis: Exposition von Beschäftigten gegenüber Lösemitteln bei der industriellen Metallreinigung“. Zu den standardisierten Arbeitsverfahren zählen auch DGUV-R und DGUV-I, wenn darin konkrete Schutzmaßnahmen beschrieben sind.

Substitutionsprüfung

Bei allen Gefahrstoffen, bei denen mehr als eine „geringe Gefährdung“ vorliegt, muss grundsätzlich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eine Substitutionsprüfung durchgeführt werden. „Substitution“ bedeutet nach TRGS 600 Ersatz eines Gefahrstoffs durch einen Stoff, Gemisch, Erzeugnis oder Verfahren, der zu einer insgesamt geringeren Gefährdung für die Beschäftigten führt. Es ist also zu prüfen, ob der Stoff durch einen weniger gefährlichen Stoff bzw. eine weniger gefährliches Gemisch oder Erzeugnis oder das Verfahren durch ein weniger gefährliches Verfahren ersetzt werden kann. Damit sollen die Gefährdungen beseitigt oder vermindert werden. Das Vorgehen zur Substitutionsprüfung konkretisiert die TRGS 600 „Substitution“. Zu prüfen sind demnach zunächst Musterlösungen, die in TRGS zu Ersatzstoffen (TRGS 500 ff. und TRGS 600 ff.) oder branchen- oder tätigkeitsspezifischen Hilfestellungen wie DGUV Informationen mit Aussagen zur Substitution, Branchenregelungen von Berufsgenossenschaften oder Verbänden, etc. enthalten sein können.

Auch soll der Lieferant zu weniger gefährlichen Lösungen befragt werden. Die anderen Methoden erfordern jedoch Informationen, die in der Regel erst im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Daher wird in der Praxis die Substitutionsprüfung oftmals zweigeteilt. Der bisher beschriebene Teil wird vor der „eigentlichen“ Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen durchgeführt, um sich die Beurteilung von Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die dann substituiert werden, zu ersparen. Der jetzt folgende Teil wird erste nach der Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen durchgeführt, um die dort ermittelten Informationen zu nutzen.

Ablauf einer Substitutionsprüfung

Die oben genannten und weitere Informationsquellen wie Internet-Datenbanken werden für eine Suche nach Alternativen zu den eingesetzten Gefahrstoffen und Verfahren genutzt. Lassen sich bei der Informationsermittlung zahlreiche Substitutionsmöglichkeiten erkennen, empfiehlt die TRGS eine Vorauswahl anhand von Leitkriterien.
Diese umfassen sowohl Gesundheitsgefahren als auch physikalisch-chemische Gefährdungen; beide können Sie mit Hilfe eines in Anhang 2 TRGS 600 beschriebenen „Spaltenmodells“ bewerten. In jeder Spalte gibt es fünf Abstufungen von Gefährdungen: sehr hohe, hohe, mittlere, geringe und vernachlässigbare Gefährdungen.
Wenn Sie die Gefährdungen mit Hilfe des Spaltenmodells betrachten, können Sie verschiedene Gefährdungen miteinander vergleichen – und so beispielsweise folgende Fragen beantworten: ob es sinnvoll ist, einen toxischen Stoff durch einen weniger toxischen Stoff mit niedrigerem Flammpunkt (der damit eine höhere physikalisch-chemische Gefährdung aufweist) zu ersetzen.

Entscheidung über die Substitution

Bei der endgültigen Entscheidung über die Substitution gilt: Werden Empfehlungen aus TRGS zu Ersatzstoffen oder branchen- oder tätigkeitsspezifischen Hilfestellungen nicht umgesetzt, muss der Arbeitgeber dieses schriftlich begründen. Die anderen Möglichkeiten müssen unter Berücksichtigung ihrer technischen Eignung und der mit ihnen verbundenen gesundheitlichen und physikalisch-chemischen Gefährdungen beurteilt werden. Auch wirtschaftliche Kriterien können bei der Entscheidung eine Rolle spielen, wobei höhere Kosten eine Substitutionslösung noch nicht grundsätzlich ausschließen dürfen. Unverhältnismäßig hohe Kosten müssen aber auch nicht in Kauf genommen werden. Zu berücksichtigen bei der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe bzw. bei der entsprechenden Substitutionsprüfung ist aber, dass höhere Kosten für einen Ersatzstoff oft zu Einsparungen bei technischen Schutzmaßnahmen, PSA, Lagerung und Entsorgung führen.

Anhang 3 TRGS 600 beschreibt die Abwägungsgründe für den betrieblichen Einsatz von Substitutionslösungen. Neben den (detailliert aufgegliederten) Kosten werden auch weitere Einflussfaktoren wie Firmenimage, Mitarbeiterzufriedenheit, vorteilhafte Produktkennzeichnung, Ökobilanz etc. aufgeführt. Das Ergebnis der Substitutionsprüfung müssen Unternehmen dokumentieren – das kann aber zumeist durch Standardsätze erfolgen („Keine Möglichkeit der Substitution“, „Lösung ist bereits Substitutionslösung“). Ermittelte, aber nicht umgesetzte Substitutionsmöglichkeiten müssen Unternehmen begründen (Substitutionslösung technisch / betrieblich nicht geeignet, weil …; Substitutionslösung verringert Gefährdung nicht ausreichend, weil …). Auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzte Substitutionsmöglichkeiten müssen Sie mit nachvollziehbaren Gründen dokumentieren. Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Gefahrstoffen der Kategorie 1A und 1B kann die zuständige Behörde die Mitteilung des Ergebnisses der Substitutionsprüfung verlangen.

Das Spaltenmodell zur Substitutionsprüfung Gefahrstoffe

Untersuchung der Gefährdungen

Lassen sich Gefahrstoffe nicht oder nur durch andere (weniger gefährliche) Stoffe ersetzen / die Gefährdungen nicht durch andere Verfahren vermindern, sind die mit den Tätigkeiten mit diesen Stoffen verbundenen Gefährdungen zu beurteilen. Dabei sind Gefährdungen durch Hautkontakt (dermale Gefährdungen), durch Einatmen (inhalative Gefährdungen) und physikalisch-chemische Gefährdungen (insbesondere Brand- und Explosionsgefährdung) unabhängig voneinander zu beurteilen. Treten mehrere Gefahrstoffe gemeinsam auf, sind auch bekannte Kombinations- und Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Als Grundlage hierfür dienen die Sicherheitsdatenblätter und – insbesondere für die nicht gekennzeichneten Gefahrstoffe – die anderen oben genannten Informationsquellen

Sicherheitsdatenblatt zur Beurteilung der Gefährdung

Sicherheitsdatenblätter sind für jeden Gefahrstoff nach Art. 31 der VO (EU) 1907/2006 („REACH-VO“) vom Lieferanten zur Verfügung zu stellen. Vor allem kleinere Unternehmen beklagen oft, dass die Lieferanten dieser Pflicht nicht immer nachkommen. Daher empfiehlt es sich, die Lieferung eines aktuellen Sicherheitsdatenblatts bei der Bestellung vertraglich zu vereinbaren. Denn wenn der Betrieb kein Sicherheitsdatenblatt erhält, muss er die zur Beurteilung notwendigen Informationen selbst beschaffen, was trotzt intensiver Recherche oftmals nicht vollständig möglich ist. Dann aber gilt das gleiche, wie für freigesetzte Dämpfe, Nebel etc., für die Informationen nicht zu ermitteln sind: der Stoff ist als giftig, reizend, erbgutverändernd und hautsensibilisierend zu betrachten.

Die Sicherheitsdatenblätter haben 16 Abschnitte, die wir Ihnen nachfolgend kurz erläutern.

Abschnitt 1: Bezeichnung des Stoffs bzw. des Gemischs und des Unternehmens

Die Gefahrstoffe bezeichnet man mit Namen und Identifikationsnummer nach Anhang VI der VO (EG) 1272/ 2008 oder CAS-Nummer (bei Gemischen Handelsnamen). Angegeben werden weiter relevante Verwendungen und Verwendungen, von denen abgeraten wird; Angaben zum Lieferanten und eine Notrufnummer.

Abschnitt 2: Mögliche Gefahren

Hier ist insbesondere die Einstufung des Gefahrstoffs nach VO (EG) 1272/2008 einschließlich der Warnhinweise (H-Sätze) anzugeben.

Abschnitt 3: Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen

Genannt wird bei Stoffen der Hauptbestandteil und weitere Bestandteile (z.B. Verunreinigungen, Zusatzstoffe), die zur Einstufung beitragen; bei Gemischen die Konzentration bzw. Konzentrationsbereiche der Bestandteile, die zur Einstufung beitragen.

Abschnitt 4: Erste-Hilfe-Maßnahmen

Enthält Anweisungen zur Ersten Hilfe, wie zu den relevanten Expositionswegen sowie zu den wichtigsten sowohl akut als auch verzögert auftretenden Symptomen und Wirkungen der Exposition.

Abschnitt 5: Maßnahmen zur Brandbekämpfung

Enthält Hinweise zur Bekämpfung von Bränden des Stoffes, wie geeignete und ungeeignete Löschmittel, über besondere Gefahren, die bei einem Brand von dem Gefahrstoff ausgehen; über Schutzmaßnahmen, die bei der Brandbekämpfung zu ergreifen sind sowie über geeignete Schutzausrüstung.

Abschnitt 6: Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung

Empfiehlt Maßnahmen, die beim Verschütten, bei Leckagen oder Freisetzung zu ergreifen sind. Diese umfassen Angaben über geeignete Schutzausrüstung sowie zu geeigneten Arten der Rückhaltung und Reinigung.

Abschnitt 7: Handhabung und Lagerung

Enthält Empfehlungen zur sicheren Handhabung und zur sicheren Lagerung, ggf. einschließlich spezifischer Anforderungen an die Lagerung (Anforderungen an die Lüftung, spezielle Anforderungen an Lagerräume etc.).

Abschnitt 8: Begrenzung und Überwachung der Exposition/Persönliche Schutzausrüstung

Stellt die Grenzwerte für die berufliche Exposition, empfohlene Überwachungsmaßnahmen und geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Exposition, einschließlich detaillierter Angaben zu geeigneter persönlicher Schutzausrüstung dar.

Abschnitt 9: Physikalische und chemische Eigenschaften

Enthält Angaben über die grundlegenden physikalischen und chemischen Eigenschaften des Gefahrstoffs, wie Aussehen, Schmelz-, Siede- und Flammpunkt, obere und untere Entzündbarkeits-/Explosionsgrenzen, Dampfdruck, etc.

Abschnitt 10: Stabilität und Reaktivität

In diesem Abschnitt werden eventuelle gefährliche Reaktionen unter bestimmten Anwendungsbedingungen sowie bei der Freisetzung in die Umwelt dargestellt.

Abschnitt 11: Toxikologische Angaben

Beschreibung der verschiedenen Auswirkungen auf die Gesundheit, die beim Kontakt mit dem Gefahrstoff entstehen können.

Abschnitt 12: Umweltbezogene Angaben

Beschreibung der möglichen Wirkungen sowie Verhalten und Verbleib des Gefahrstoffes in der Umwelt (Luft, Wasser und/oder Boden).


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Abschnitt 13: Hinweise zur Entsorgung

Angegeben werden geeignete Entsorgungsverfahren für den Stoff/das Gemisch und für verunreinigtes Verpackungsmaterial, ggf. auch Hinweise für ihre sichere Handhabung.

Abschnitt 14: Angaben zum Transport

Enthält Hinweise zum sicheren (auch innerbetrieblichen) Transport; einschließlich Angaben zur verkehrsrechtlichen Einstufung.

Abschnitt 15: Rechtsvorschriften

Angegeben werden gesundheits-, sicherheits- und umweltbezogene Informationen, ggf. anzuwendende EU-Bestimmungen und nationale Rechtsvorschriften oder andere relevante Regelungen (in Deutschland Wassergefährdungsklassen, Technische Regeln für Gefahrstoffe).

Abschnitt 16: Sonstige Angaben

Sonstige, für den Arbeits- und Umweltschutz relevante Angaben, wie Text der H- und P-Sätze, Schulungshinweise oder empfohlene Einschränkungen der Anwendung. (H-Sätze [H für hazard statement] codieren Gefahrenhinweise, P-Sätze [P für precautionary statement] codieren Sicherheitshinweise.)

Neben den Eigenschaften der Gefahrstoffe, die sich aus den Sicherheitsdatenblättern entnehmen lassen, sind für eine Beurteilung Informationen über die Tätigkeiten, bei denen sie eingesetzt oder entstehen / freigesetzt werden, notwendig. Diese Informationen dienen als Grundlage für die Ermittlung der bei der Arbeit auftretenden Expositionen, insbesondere der inhalativen Exposition (Konzentration und Dauer des Vorhandenseins eines Gefahrstoffs in der Atemluft) und der dermalen Exposition (Dauer und Häufigkeit des Hautkontakts, Menge und Konzentration des Stoffes auf der Haut, Lage und Ausdehnung der benetzten Fläche).

Sicherheitsdatenblatt Gefahrstoffe

Hygiene am Arbeitsplatz beim Umgang mit Gefahrstoffen

Beim Umgang mit Gefahrstoffen ist immer die Einhaltung allgemeiner Hygienestandards zu prüfen, die unnötig hohe Belastungen durch Arbeitsstoffe vermeiden. Dazu gehören Lüftung, richtige Lagerung und Maßnahmen zum Schutz gegen Einatmen, bei Gefährdung durch Hautkontakt auch Maßnahmen zum Schutz hiervor. Dabei ist etwa darauf zu achten, dass:

  • technische Lüftungssysteme (in Werkhallen in der Regel erforderlich, in Büros reicht in der Regel eine natürliche Belüftung) eingeschaltet sind und funktionieren (ausreichende Prüfung?),
  • am Arbeitsplatz nur der Tagesbedarf oder der kleinste handelsübliche Behälter bereitgestellt sind,
  • alle Behälter, in denen sich Gefahrstoffe befinden, beschriftet sind,
  • keine Behälter verwendet werden, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können,
  • Behälter geschlossen sind und nur zur Entnahme geöffnet werden,
  • Waschgelegenheiten und Hautschutzmittel vorhanden sind,
  • Pausenverpflegung nicht am Arbeitsplatz gelagert wird,
  • Gefahrstoffe, die miteinander reagieren können, getrennt gelagert sind,
  • austretende Flüssigkeiten aufgefangen werden,
  • Lagerbereiche mindestens einmal wöchentlich auf Undichtigkeiten und Beschädigungen überprüft werden,
  • abdeck-/verschließbare Behälter zur Abfallsammlung verwendet werden,
  • gemeinsam gesammelte Abfälle nicht zu gefährlichen Reaktionen führen können.

Vorlagenpaket Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe

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Gefährdungsbeurteilung beim Lagern von Gefahrstoffen

In der TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“ ist die Gefährdungsbeurteilung in Nr. 3 abgehandelt. Diese weist darauf hin, dass Mitarbeiter insbesondere beim Ein- und Auslagern, bei Transporten innerhalb des Lagers und beim Beseitigen von freigesetzten Gefahrstoffen gefährdet sein können. Die Gefährdungen durch die Lagerung hängen neben den Eigenschaften der Gefahrstoffe von der Menge der gelagerten Gefahrstoffe, der Art der Lagerung, der Zusammenlagerung und den Arbeits- und Umgebungsbedingungen (Bauweise, Raumgröße, Lagerdauer etc.) ab.

Entsprechend müssen – abhängig von Menge und Eigenschaften der eingelagerten Gefahrstoffe – nicht zwingend alle der in Nr. 4 TRGS 510 aufgeführten Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Abweichungen sind aber in der Gefährdungsbeurteilung festzulegen.

Gefährdung durch Einatmen

Eine Gefährdung durch Einatmen ist bei allen Gefahrstoffen gegeben, die in der Atemluft am Arbeitsplatz vorkommen. Wenn es einen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW, siehe TRGS 900) gibt, ist dieser für die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe maßgeblich. Arbeitsplatzkonzentrationen können Betriebe durch messtechnische Verfahren oder andere Methoden, etwa durch Abschätzung und Berechnung ermitteln. Beispiele sind z.B. in der TRGS 402 gegeben.

Eine stoffbedingt geringe Exposition kann z.B. bei niedrigem Freisetzungsvermögen (z.B. niedrige Staubigkeit, niedriger Dampfdruck) angenommen werden oder wenn verfahrensbedingt keine Aerosolbildung erfolgen kann. Ansonsten sollte zur Sicherheit immer ein Worst-Case-Szenario bei der Abschätzung der Exposition angenommen werden; sollten selbst bei Betrachtung eines Worst-Case-Szenarios die Grenzwerte eingehalten werden, kann man davon ausgehen, dass dieses unter den üblichen Bedingungen am Arbeitsplatz erst recht der Fall ist. Sollte ein Überschreiten von Grenzwerten aber möglich sein, empfiehlt sich eine Untersuchung durch messtechnische Verfahren, soweit dieses möglich ist. Messergebnisse kann man auf vergleichbare Arbeitsplätze übertragen; diese müssen sich nicht unbedingt im gleichen Betrieb befinden.

Die Anforderungen an die Fachkunde derjenigen, die Messungen zur Ermittlung von Expositionen durchführen, sind in Anlage 1 zur TRGS 402 dargestellt. Wer nicht über geeignete Mitarbeiter verfügt, sollte Messungen bei einer durch die DAkkS akkreditierte Messstelle durchführen lassen, sonst sollte er sich selbst vergewissern, dass die Anforderungen der Anlage 1 von der Messstelle eingehalten werden. Im EMKG der BAUA wird das Gefährdungspotenzial „Einatmen“ durch die Ermittlung einer Gefährlichkeitsgruppe, einer Mengen- sowie einer Freisetzungsgruppe ermittelt. Die Gefährlichkeitsgruppe ergibt sich aus dem AGW, bei Gefahrstoffen ohne AGW können Sie diese aus den H-Sätzen ermitteln. Die Mengengruppe ergibt sich aus der üblicherweise gehandhabten Menge, die Freisetzungsgruppe bei Flüssigkeiten aus dem Siedepunkt oder dem Dampfdruck; bei Feststoffen aus ihrer Staubigkeit. Je nach Kombination der Ergebnisse für die drei Gruppen – dem Gefährdungspotenzial – wird im EMKG auf Schutzleitfäden verwiesen, die Empfehlungen für anzuwendende Schutzmaßnahmen darstellen.

 

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